Biografiearbeit in der Altenpflege- Teil 1

Biografiearbeit in der Altenpflege- Teil 1

Jede Lebensgeschichte ist so einzigartig und unverwechselbar wie es ein jeder Mensch ist.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Biografiearbeit in der Altenpflege – Teil 1
  2. Biografiearbeit in der Altenpflege – Teil 2

Lesezeit: 7 Minute / 862 Wörter

Biographiearbeit in der Altenpflege

Wenn sich Pflegekräfte mit Aspekten einer Lebensgeschichte ihres Bewohners beschäftigen, dann ist diese Biografiearbeit unverzichtbarer Bestandteil der Begleitung und Pflege von Menschen, denn sie ermöglicht einen einfühlsamen Umgang und hilft – besonders bei Menschen mit demenziellen Veränderungen – die Persönlichkeit so lange wie möglich zu stabilisieren und zu stärken. Weitere Ziele der Biografiearbeit sind Vertrauen aufzubauen und zu stärken um eine Basis für eine adäquate Pflege zu schaffen und einen Zugang zum Bewohner zu finden.

Durch die sensiblen Themen des Pflegealltags wie z.B.  die Körperpflege und den damit verbundenen Erfahrungen und Grenzen, ist es besonders wichtig auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung zu pflegen, um unnötiges Leiden zu verhindern und schambehaftete Situationen, die häufig mit Abwehrhaltungen oder Aggressionen verbunden sind zu reduzieren oder ihnen wenigstens angemessen zu begegnen.

Pflegekräfte stärken außerdem das Selbstbewusstsein und das Gedächtnis ihrer Bewohner, wenn diese das Gefühl vermittelt bekommen, sie werden „erkannt“ bzw. gekannt und als Personen mit einer eigenen Geschichte wahrgenommen mit den Ihnen eigenen Stärken und Eigenarten. Sie fühlen sich weniger verloren und es wird eine Verbindung geschaffen, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Es geht nicht darum, auf einem festgelegten „Biographiebogen“ eine möglichst lückenlose Lebensgeschichte festzuhalten und diese in einer Akte oder im Computer abzulegen. Vielmehr geht es um gezieltes Beobachten und Zuhören.

Milieutherapie geht vor Medikation heißt es. Dies funktioniert nur dann, wenn ich eine Umgebung schaffe, in der der Mensch sich aufgehoben und gesehen fühlt.

Gesehen fühlen sich Menschen immer dann, wenn sie wirklich beachtet werden und ihnen jemand zuhört. Wenn wirklich hingeschaut wird und innegehalten.

Wenn man ganz genau hinschaut ist Biographiearbeit kein weiterer „Zeitfresser“ in der Pflege, sondern die Haltung einer Pflegenden Person.

Als Pflegekraft kann ich unheimlich viel beobachten und gerade dort, wo keine ausreichende verbale Kommunikation mehr möglich ist und keine Ansprechpartner da sind, ist die Beobachtung das wichtigste Instrument. Reaktionen auf angebotene Maßnahmen, Fotos, Kleidungsstücke, seltene Besucher, Pflegeprodukte, Bücher, Möbelstücke, all das sind kleine Teile einer Lebensgeschichte eines Menschen und erhöhen die Achtsamkeit für das Verständnis dafür, dass hier ein Individuum gepflegt wird und kein Objekt.

Sicher kennen einige, dass nachfolgende Gedicht einer alten Dame, welches auch im Klappentext einiger Pflegelehrbücher abgedruckt ist:

Was seht ihr Schwestern…

Was seht Ihr Schwestern, was seht Ihr?

Denkt Ihr, wenn ihr mich anschaut:

Eine mürrische, alte Frau,

nicht besonders schnell,

verunsichert in ihren Gewohnheiten,

mit abwesendem Blick,

die ständig beim Essen kleckert,

die nicht antwortet wenn Ihr mit ihr meckert,

weil sie wieder nicht pünktlich fertig wird.

Die nicht so aussieht als würde sie merken,

was Ihr mit ihr macht.

Die willenlos alles mit sich machen lässt:

“Füttern, waschen und alles was dazu gehört.”

 

Denkt Ihr denn so von mir, Schwestern, wenn Ihr mich seht, sagt?

 

Öffnet die Augen, Schwestern, schaut mich genauer an!

Ich will Euch erzählen, wer ich bin, die hier so still sitzt,

die macht, was ihr möchtet und isst und trinkt, wann es Euch passt!

 

Ich bin ein zehnjähriges Kind mit einem Vater und einer Mutter,

die mich lieben und meine Schwester und meinen Bruder.

 

Ein sechzehnjähriges Mädchen, schlank und hübsch,

die davon träumt, bald einem Mann zu begegnen.

 

Eine Braut, fast zwanzig, mein Herz schlägt heftig bei dem Gedanken

an die Versprechungen, die ich gegeben und gehalten habe.

 

Mit fünfundzwanzig, noch habe ich eigene Kleine, die mich zu Hause brauchen.

 

Eine Frau mit dreissig, meine Kinder wachsen schnell und helfen einander.

 

Mit vierzig, sie sind alle erwachsen und ziehen aus.

Mein Mann ist noch da und die Freude ist nicht zu Ende.

 

Mit fünfzig kommen die Enkel und die erfüllen unsere Tage,

wieder haben wir Kinder – mein Geliebter und ich.

 

Dunkle Tage kommen über mich, mein Mann ist tot.

Ich gehe in eine Zukunft voller Einsamkeit und Not.

Die Meinen haben mit sich selbst genug zu tun,

aber die Erinnerungen von Jahren und die Liebe bleiben mein.

Die Natur ist grausam, wenn man alt und krumm ist,

und man wirkt etwas verrückt.

 

Nun bin ich eine alte Frau,

die ihre Kräfte dahinsiechen sieht,

und der Charme verschwindet.

 

Aber in diesem alten Körper wohnt noch immer ein junges Mädchen,

ab und zu wird mein mitgenommenes Herz erfüllt.

Ich erinnere mich an meine Schmerzen,

und ich liebe und lebe mein Leben noch einmal,

das allzu schnell an mir vorbei geflogen ist

und akzeptiere kühle Fakten, dass nichts bestehen kann.

 

Wenn Ihr Eure Augen aufmacht, Schwestern,

so seht Ihr nicht nur eine mürrische, alte Frau.

Kommt näher, seht mich!

 

(Dieses Gedicht wurde von der SPITEX bei einer verstorbenen Patientin gefunden.)

Um diese Aufforderung, die sie in ihrem letzten Satz formuliert, geht es letztendlich: Einen Menschen zu sehen und mit diesem Gesehenem achtsam umzugehen und in der täglichen Pflegeroutine mit zubeachten. Hierbei geht es häufig um vermeintliche Kleinigkeiten, die Vertrauen schaffen und Menschen manchmal auch nur für kleine Augenblicke zurück in “ihre Realität” holen. Hierzu sind beispielsweise auch Ansätze der Basalen Stimulation sehr gut geeignet, um über Sinnesanregungen, Kontakt herzustellen. Kontakt zu sich selbst und Kontakt zur aktuellen Außenwelt.

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