Selbstbestimmung-immer wieder ein Thema (Teil1)

Selbstbestimmung-immer wieder ein Thema (Teil1)

In stationären Pflegeeinrichtungen ist es immer wieder eine besondere Herausforderung und ein Drahtseilakt, die Autonomie der Bewohner mit dem Fürsorgegedanken/der Fürsorgepflicht über ein zu bekommen. Zwischen “Was ist der Wille des Bewohners” und “was steht diesem Willen gegenüber”, muss immer wieder sorgsam abgewogen werden.

Nicht umsonst, ist der Begriff der Bewohnerautonomie ein ständiges Thema, wenn es um eine ethische Reflexion in der Altenpflege geht.  Egal ob es sich um eine Teilnahme an Aktivitäten des Hauses, um Nahrungsaufnahme oder Kleidungsauswahl handelt, in nahezu jedem Bereich liegt hier ein Konfliktpotential und die Autonomie nimmt im Vergleich zu den anderen ethischen Prinzipien sehr viel Raum ein.

Wenn man Pflegekräfte oder Auszubildende fragt, bekommt man die sehr überzeugende Antwort, dass es selbstverständlich ist, die Selbstbestimmung zu achten und zu beachten, dies sei keine Frage.  Kein Pflegender würde von sich aus sagen, dass der die Selbstbestimmung der Bewohner einschränkt. Wenn wir allerdings in die Realität der Praxis schauen, dann findet dieses Zugeständnis spätestens da ein Ende, wenn ein Bewohner eine Entscheidung treffen möchte, die seinem eigenen Wohl abträglich ist. Der Pflegende “weiß es besser” und hat die Pflicht zu handeln, denn angesichts von Personalknappheit, Leistungs-und Zeitdruck, und dem Gefühl des Überwacht Werdens von vielerlei Instanzen, ist ein deutlicher Spannungsbogen zwischen dem Respekt vor der Autonomie des zu Pflegenden und der Verpflichtung zur Fürsorge zu erkennen.

Ein Pflegeheim in Frankfurt/Main, hat aufgrund der immer wieder auch geäußerten Unsicherheiten zu diesem Thema gehandelt und für seine Mitarbeiter eine Orientierungshilfe entwickelt (vielleicht auch eine gute Idee, fürs eigene Heim?)

Es wurde ein Leitfaden entwickelt (mit Hilfe eines Ethikkomitees) und es war in der ersten Überlegung ein der schwieriges Unterfangen. Es gibt eine große Fülle an vorliegender Literatur und Kontroverse die kaum aufzuheben sind. Die Komiteemitglieder sind schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass es im Alltag eines Pflegeheims darauf ankommt, eine Haltung zu entwickeln, die jenseits aller theoretischer Modelle gewährleistet, dass die Pflegenden die Autonomie der ihnen anvertrauten Bewohner tatsächlich respektieren.

“Der Heimbewohner möchte seine Autonomie gewahrt sehen, um seinen eigenen Lebensentwurf verwirklichen zu können, und er hat das Recht auf diesen Respekt” (Altenpflege 40. Jahrgang; S. 71)

In dem Leitfaden der entwickelt wurde, sind acht Leitsätze zur Entwicklung einer Grundhaltung formuliert, in der alle Mitarbeiter und Leitungen akzeptieren, dass letztendlich nicht der eigene Wille, sondern immer der Wille des Bewohners  Handlungsleitend ist. Dies entlastet jedoch nicht von der Fürsorgepflicht sondern fordert viel mehr -ganz im Gegenteil -zu fürsorglichem,verantwortlichem und reflektiertem Handeln heraus.

 

Der Leitfaden gestaltet sich wie folgt:

Autonomie achten und fördern

Respekt vor der Autonomie der Bewohner im Altenpflegeheim-ein Denkanstoß in acht Grundsätzen:

  • Wir motivieren unsere Bewohner, ihren Willen zu bilden und zum Ausdruck zu bringen, indem wir ihnen in Entscheidungsfragen unterschiedliche Entscheidungsoptionen aufzeigen. Wir stellen deshalb bestimmte Fragen immer wieder, um so aktive Willensbildung zu ermöglichen.
  • Wir beobachten aufmerksam Verhalten und Äußerungen unserer Bewohner und tauschen uns im Team darüber aus, um Wünsche, die nicht ausdrücklich geäußert werden, zu erkennen und durch sensibles Nachfragen Ursachen zu erkennen und abzubauen, welche Bewohner daran hindern, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen.
  • Wir sorgen dafür, dass unsere Bewohner alle Informationen/ Aufklärung erhalten, welche sie benötigen, um eine tatsächlich autonome Entscheidung fällen zu können.
  • Wir fragen nach den Gründen, wenn Bewohner Entscheidungen treffen, welche (zumindest vordergründig) ihrer Gesundheit oder ihrem Wohlbefinden nicht förderlich sind.
  • Wir fragen nach der Einwilligungs-und Entscheidungsfähigkeit des Bewohners um einzuschätzen, ob er die Tragweite und Konsequenz seiner getroffenen Entscheidung kognitiv erfassen und überblicken kann.
  • Wir binden bei der Interpretation des beobachteten Verhaltens nicht einwilligungs-und/oder nicht kommunikationsfähige Bewohner über das unmittelbar beteiligte Pflegeteam hinaus weitere Personen (zum Beispiel Angehörige, Pflegedienstleitung, Sozialkultureller Dienst, Seelsorge, Hausarzt) ein, um Rückschlüsse auf mögliche Willensäußerungen aus einem “mehrdimensionalen Blick auf den Bewohner” zu ziehen.
  • Wir sind uns der Problematik bewusst, dass bei Entscheidungen, welche auf sogenannten “natürlichen Willensäußerungen” der Bewohner basieren, die Gefahr der (bewussten oder unbewussten)  Manipulation nie vollständig zu vermeiden ist und reflektieren diese Problematik in jeder entsprechenden Entscheidungssituation mit den Beteiligten.
  • Wir bieten unseren Mitarbeitenden regelmäßig Fortbildungsangebote, um sie zur Achtung der Autonomie unserer Bewohner zu sensibilisieren und zu befähigen.(Quelle: Altenpflege 40. Jahrgang, S. 72)

Soweit der entwickelte Leitfaden zum wirken lassen. Im nächsten Blogbeitrag am Montag, schauen wir uns Grenzen und weitere Maßnahmen dazu genauer an.

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