Bierbrauen im Seniorenheim

Bierbrauen im Seniorenheim

Neulich hörte ich einen Radiobeitrag, der mich spontan begeistert hat. In einem österreichischen Seniorenhaus brauen die BewohnerInnen ihr eigenes Bier. Seit Sommer 2020 kommen 6-8 BewohnerInnen wöchentlich in der Brauwerkstatt im Kellergeschoss des Seniorenheims Haus Atzgersdorf zusammen und nehmen sich dieser Aufgabe unter fachmännischer Anleitung an.

Inhaltsverzeichnis:

  1. SeniorInnen brauen eigenes Bier
  2. Freizeitangebot im Seniorenheim
  3. Aktivität motiviert zum Mitmachen
  4. Auf der Suche nach innovativen Projekten für die BewohnerInnen

Lesezeit: 7 Minute / 742 Wörter

SeniorInnen brauen eigenes Bier

Vom Brauen bis zum Bekleben der Flaschen mit Etiketten – die BewohnerInnen werden in alle Schritte miteinbezogen. Es gibt Lagerbier unter den stimmigen Namen „Oma“ und „Opa“ sowie ein Helles namens „Hellmut“ und „Hellga“. Einer der teilnehmenden Bewohner erzählt „Sonst ist mir fad, und beim Bierbrauen sind Leute, da ist es lustig, da ist eine Gaudi“. Eine weitere Bewohnerin berichtet ebenfalls davon, wie gerne sie beim Bierbrauen mitmache. Sie trinke das Bier aber nur zum Gulasch. Im Vordergrund steht hierbei die Herstellung eines Naturprodukts, denn der Leiter der Gastronomie, Robert Guschelbauer sagt „In der Brauwerkstatt können sie [Anmerkung: die BewohnerInnen] den gesamten Brauvorgang sehen, erleben und verstehen. Und somit auch das Bier bewusster genießen“.

Freizeitangebot im Seniorenheim

Bei dieser eher ungewöhnlichen Art von Freizeitangebot im Seniorenheim begeistert mich, dass es eine Betätigung ist, die so viele Ebenen bedient: Das Bierbrauen ist Teil der Betreuung, es fördert die Teilhabe der BewohnerInnen, es ist eine sinnvolle und gesellige Beschäftigung, nutzt ihre Motorik, spricht alle Sinne an und es wird etwas produziert. Mehr geht wohl nicht.

Laut Heimleitung des Hauses Atzgersdorf ist es vorgesehen, dass die BewohnerInnen an allen Produktionsschritten beteiligt sind, denn Hopfen und Malz sind hier Teil der Gesundheitsförderung. Gemeinsam mit MitarbeiterInnen entscheiden die BewohnerInnen des Seniorenheims, was und wie gebraut wird. Dann wird Malz geschrotet, eingemaischt, die Temperatur überwacht, Hopfen gekocht, abgefüllt und gegärt. Die verschiedenen Handgriffe fördern die haptischen Eindrücke und die Feinmotorik und bei den Abläufen des Bierbrauens ist Mitdenken gefragt. Die Gerüche und der Geschmack des Bieres können Erinnerungen wecken und sie sprechen die sinnliche Ebene an, was insbesondere für demenzerkrankte BewohnerInnen stimulierende Eindrücke darstellt. Und zu guter Letzt wird das blonde Getränk für die Allgemeinheit produziert, denn das Bier ist im Haus Atzgershaus und den dazugehörigen „Häusern zum Leben“ zum Verzehr für 2 Euro die Flasche erhältlich. Neben Bier werden in diesen Seniorenhäusern auch Honig, Kräutermischungen, Nussschnaps, Kuchen und Naschereien hergestellt und ebenfalls auf den sogenannten Marktplätzen in den „Häusern zum Leben“ verkauft.

Aktivität motiviert zum Mitmachen

An Projekten beteiligt zu sein, die ein Ziel haben, wie zum Beispiel etwas Schmackhaftes für die Allgemeinheit zu produzieren, stillt ein wichtiges menschliches Bedürfnis: etwas Sinnvolles für andere zu tun und damit das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden. Das macht die Aktivität attraktiv und motiviert zum Mitmachen.
Gedächtnistraining, Seniorensport, Spazierengehen und Basteln sind zwar Beschäftigungsangebote, die auch einen wichtigen Zweck erfüllen aber sie gehören nicht in die Kategorie, etwas zum Gemeinwohl beizutragen. Sie sind in erster Linie auf das eigene Wohl gerichtet.

Bestimmt gibt es andere Aktivitäten, die BewohnerInnen in dieser Hinsicht anregen und motivieren können. Aber woher soll man die Ideen hierfür nehmen? Hier könnte die Biographiearbeit hilfreiche Informationen liefern. Indem man die Lebensgeschichten der BewohnerInnen ermittelt, erfährt man über deren individuellen Interessen und Vorlieben. Da ist sicher auch einiges dabei, was die BewohnerInnen selbst mittlerweile ganz vergessen hatten. So lässt sich möglicherweise die ein oder andere Kompetenz und Beschäftigung (wieder-)finden, die reaktiviert werden kann. Und vielleicht lassen sich so Projekte aus dem Boden stemmen, die nicht nur ein Zeitvertreib, sondern auch für die Allgemeinheit interessant und bereichernd sind.

Auf der Suche nach innovativen Projekten für die BewohnerInnen

Bei meiner Recherche zu dem Haus Atzgersdorf las ich, dass man dort ständig auf der Suche nach innovativen Projekten für die BewohnerInnen sei. Das braucht natürlich Offenheit für Neues seitens der Leitung und der MitarbeiterInnen einer Senioreneinrichtung sowie die Möglichkeit, diese neuen Ideen umzusetzen. Hygiene- und Sicherheitsvorschriften können die Machbarkeit an der einen oder anderen Stelle verkomplizieren und es bedarf der notwendigen Ressourcen – personell, materiell, räumlich, etc. Außerdem muss die Aktivität auf das Ausmaß der alters- und krankheitsbedingten Einschränkungen der SeniorInnen angepasst sein. Trotz dieser „Wenn“ und „Abers“ finde ich ist eine solch engagierte Grundhaltung ein Segen für die SeniorInnen und für die beteiligten MitarbeiterInnen ist es bestimmt auch eine Bereicherung in ihrer Arbeit. Alle Beteiligten können neue Erfahrungen machen und Neues lernen.

Hier wäre ein Ideenaustausch interessant. Welche innovativen Projekte in SeniorInnen-Einrichtungen kennen Sie? Waren Sie an der Umsetzung beteiligt? Teilen Sie gern Ihre Erfahrungen in den Kommentaren!

https://kwp.at/mitwirken/brauwerkstatt/

https://wien.orf.at/stories/3148326/

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