Posttraumatische Belastungsstörung in Pflegesituationen

Posttraumatische Belastungsstörung in der Pflege

In Deutschland macht circa 40 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben eine traumatische Erfahrung. Dies sind Erfahrungen deutlich außerhalb des normalen Erlebens. Sie verletzen unsere selbstverständlichen Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Vertrauen und Gerechtigkeit derart, dass ein permanentes Gefühl von Bedrohung und Beschädigung entstehen kann. Eine solche Erfahrung muss in besonderer Weise verarbeitet werden.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Posttraumatische Belastungsstörung
  2. Wie machen sich hervorkommende Traumata bemerkbar?
  3. Quellen

Lesezeit: 6 Minute / 743 Wörter

Posttraumatische Belastungsstörung

Viele Menschen schaffen das mithilfe von Freunden und Angehörigen oder mit therapeutischer Hilfe. Bei einem Teil der Betroffenen gelingt diese Verarbeitung aber nicht und es entwickelt sich eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Diese zeigt sich oft erst Wochen, Monate oder sogar Jahre nach dem Erlebnis.

Ereignisse, die bei den meisten Menschen mit Angst, Entsetzen oder einem massiven Bedrohungsgefühl und Hilflosigkeit einhergehen:

  • Unfälle
  • Naturkatastrophen
  • Kriege, Flucht, Terroranschläge
  • Individuelle Gewalterfahrungen: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Folter, Überfälle, Entführungen
  • Schwere Erkrankungen wie z.B. Herzinfarkt, Krebs oder eine Notfalloperation.

Viele der momentan zu uns gelangenden Flüchtlinge mussten vermutlich mehrere der oben genannten Erfahrungen machen. Viele haben ihre Angehörigen und Freunde verloren. Mit ihnen hätten sie ihre Erlebnisse vielleicht verarbeiten oder zumindest gemeinsam tragen können. Aber das soziale Netz, in das sie bislang eingebettet waren ist nicht mehr vorhanden. Nun sind sie in einem Land, in dem sie immerhin in Sicherheit sind. Aber sie sprechen dessen Sprache nicht und die meisten dieser Landsleute können sie nicht verstehen oder – wenn wir von ukrainischen Flüchtlingen ausgehen – sprechen mit ihnen auf Russisch.

Die Pflegebranche wird hier zurzeit extra gefordert sein und bedarf einem besonderen Verständnis und Fingerspitzengefühl. Traumatisierte Menschen zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen. Sie sind benommen und nicht ansprechbar oder aggressiv, schreckhaft und dauerhaft angespannt. Sie leiden unter immer wiederkehrenden Erinnerungen an die belastenden Ereignisse und träumen nachts davon. In diesen Momenten ist es für sie so, als wären sie wieder leibhaftig in der furchtbaren Situation. Die Erinnerung an die belastende Erfahrung kann durch ganz gewöhnliche Reize ausgelöst werden. Für uns ist es eine durch einen Windzug zuknallende Tür oder ein buntes Feuerwerk am Himmel. Für kriegstraumatisierte Menschen löst es Erinnerungen an Schüsse oder Explosionen aus. Für uns normale Alltagsreize wie Geräusche aber auch Gerüche oder eine achtlos grobe Berührung am Arm können bei traumatisierten Menschen sogenannte Flashbacks (Erinnerungsattacken) auslösen. Diese sind so realistisch, dass dieser Mensch sich in seinem Erleben wieder in der Situation befindet, so als würde es jetzt gerade wieder passieren. MitbewohnerInnen und Pflegekräfte können das häufig nicht so schnell mit dem Trauma in Verbindung bringen bzw. nicht immer davor schützen. So können plötzliche Reaktionen und Verhaltensweisen auftreten, die für die umgebenden Personen scheinbar aus dem Nichts kommen und unverständlich scheinen.

Wie machen sich hervorkommende Traumata bemerkbar?

Mögliche Warnsignale, die auf PTBS hindeuten können sein:

  • Schlafstörungen, Albträume
  • Angst vor Dunkelheit
  • Ängstlichkeit und ständige Anspannung
  • Panikattacken
  • Einnässen
  • Verringerte emotionale Belastbarkeit
  • Zynismus
  • Reizbarkeit
  • Sich selbst vernachlässigen
  • Vermehrter Alkohol- oder Tablettenkonsum
  • Essstörungen
  • Vermeidungsverhalten
  • Misstrauen gegenüber anderen und soziale Isolation, etc.
  • Selbstverletzendes Verhalten

Auch körperliche Beschwerden können auftreten, wie häufige Infekte, Magenschmerzen, Verdauungsprobleme wie Darmreizungen, Durchfall oder Verstopfung, Atemschwierigkeiten Asthma, Kopfschmerzen und Muskelverspannungen.

Allerdings entwickeln nicht alle Menschen, die ein Trauma erlebt haben, ein PTBS. Resilienz – die psychische Widerstandsfähigkeit und weitere Faktoren des jeweiligen Menschen spielen dabei eine Rolle. Für die Pflegenden mag daher wohl auch irgendwie eine Gratwanderung zu bewältigen sein, zwischen angebrachtem Verständnis und Stigmatisierung, d.h. eine Verallgemeinerung auf alle Flüchtlinge.

Besonders an Bedeutung gewinnt bei der Pflege von traumatisierten Menschen die sorgfältige Zuweisung einer Bezugspflegekraft. Die Kriterien ergeben sich dabei aus der auslösenden Traumatisierung, zum Beispiel gleichgeschlechtliche Pflegekraft oder Vermeidung von Pflegekräften mit einem bestimmten Akzent/ Herkunft (z.B. russisch). Um das zuordnen zu können müssen Informationen über die zu pflegende Person ermittelt werden. Dabei müssen derzeit sprachliche Barrieren bedacht werden. Auch die Krankheitsvertretung der Bezugspflegekraft sollte geregelt sein.   Möglicherweise ist eine entsprechende Fortbildung der zuständigen Pflegekräfte notwendig. BerufsanfängerInnen mögen mit der Pflege traumatisierter Menschen überfordert sein.
Auch der Kontakt zu anderen BewohnerInnen will mit Bedacht gestaltet werden. Für BewohnerInnen der Kriegsjahrgänge zwischen 1930 und 1945 könnte der Kontakt zu derzeitigen Kriegsflüchtlingen eigene Erinnerungen wachrufen. Es kann bei ihnen eine Retraumatisierung auslösen.

Gerade bei dem momentanen Zuwachs an Flüchtlingen in Pflegeheimen gibt es derzeit vieles zu bedenken. Auch für die Pflegekräfte selbst ist dieser Kontakt sicherlich zuweilen sehr belastend. Das entlastende Gespräch in Form von Supervision sollte hier innerhalb der Einrichtung gefördert werden.

Wenn Sie hilfreiche Hinweise zu diesem Thema haben posten Sie diese gerne in den Kommentaren. Und passen Sie gut auf sich auf!

Quellen:

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