In Deutschland gibt es 22,3 Mio Menschen mit Migrationshintergrund. Das macht ein Viertel unserer Gesamtbevölkerung von 83,2 Mio BürgerInnen aus. Dazu gehören unter anderem die sogenannten Gastarbeiter*innen, die in den 1950er bis 1970er Jahren für einen ursprünglich vorübergehenden Arbeitseinsatz nach Deutschland kamen. Aus dem vorübergehenden Aufenthalt wurde damals für einen großen Teil dieser ausländischen Arbeitskräfte ihre neue Heimat. Sie holten ihre Familien zu sich nach Deutschland und blieben bei uns.
Inhaltsverzeichnis:
- Was bedeutet kultursensibel in der Pflege?
- Besonderheiten in der Altenpflege
- Wie kann die kultursensible Pflege gelingen?
Lesezeit: 7 Minute / 795 Wörter
Viele unserer BürgerInnen mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in Spanien, Griechenland, der Türkei, Italien, Polen, Marokko, Portugal, Tunesien, Jugoslawien und der ehemaligen Sowjetunion. Eine schöne bunte Vielfalt an kulturellen Einflüssen, die unser Land in vielerlei Hinsicht bereichert.
Diese Generation kommt nun nach und nach in das Alter, in dem Pflegebedürftigkeit vermehrt auftritt. Daher wächst auch in der Pflege- und Gesundheitsbranche der Anteil an PatientInnen und BewohnerInnen aus anderen Kulturkreisen deutlich. In unserem heutigen Blogartikel gehen wir darum auf das Thema der kultursensiblen Pflege ein.
Was bedeutet kultursensibel in der Pflege?
Die kultursensible Pflege wird auch als interkulturelle Pflege bezeichnet. Sie besteht darin, einer pflegebedürftigen Person ein Leben entsprechend ihrer individuellen Werte, ihrer kulturellen und religiösen Prägung und Bedürfnisse zu ermöglichen und die Versorgung und Betreuung darauf anzupassen. Auch wenn das Pflegepersonal einen anderen kulturellen Hintergrund hat, gilt es dabei, auf die kulturellen und migrationsbedingten Aspekte in der Pflege konsequent und kontinuierlich Rücksicht zu nehmen. Wenn man sich vorstellt, selbst pflegebedürftig bzw. auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, ist dieses Bedürfnis schnell nachvollziehbar. Auch der Gesetzgeber erkennt das an. In §1 Abs. 5 Sozialgesetzbuch XI heißt es:
„In der Pflegeversicherung sollen geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Pflegebedürftigkeit von Männern und Frauen und ihrer Bedarfe an Leistungen berücksichtigt und den Bedürfnissen nach einer kultursensiblen Pflege nach Möglichkeit Rechnung getragen werden.“
Eine Veranschaulichung für kulturelle Unterschiede und Rituale hier am Beispiel der Muslime:
Vor jedem Beten findet eine kleine rituelle Waschung statt, die nach einem ganz speziellen Ablauf ausgeführt führt. Bezüglich der Ernährung wird kein Schweinefleisch oder entsprechende Zusätze gegessen und auf Alkohol und alkoholhaltige Lebensmittel wird auch komplett verzichtet.
Meist kennen wir die Details der ausländischen Kulturen nicht so gut. In der ambulanten Pflege trifft man in dieser Hinsicht auf Gepflogenheiten wie: wo zieht man seine Schuhe aus; wo wird man mit Wangenküsschen begrüßt, wo nimmt man eine Einladung zum Tee an, etc.
Besonderheiten in der Altenpflege
Neben den kulturellen Besonderheiten sind auch weitere Aspekte mit der Pflege älterer ausländischer MitbürgerInnen verbunden. Auch sie erfordern ein spezifisches Verständnis und Einfühlungsvermögen. So sehnen sich viele im Alter nach ihrer Heimat, können jedoch nicht dahin zurückkehren, weil sie mittlerweile zu lange in Deutschland angesiedelt als dass dort noch genügend Kontakte bestehen würden. Kontakte zu öffentlichen Einrichtungen in Deutschland waren meist mit negativen Erfahrungen verbunden (z.B. Ausländerstelle). Außerdem haben sie keine Altersvorbilder, da sie das Altern der eigenen Eltern nicht miterlebt haben.
Wie kann die kultursensible Pflege gelingen?
Um kultursensibel pflegen zu können, ist es wichtig, interkulturelle Kompetenz aufzubauen und somit Verständnis und Wertschätzung für den anderen kulturellen Hintergrund und die Werte der Beteiligten zu erzeugen. Das erfordert einen interkulturellen Lern- und Anpassungsprozess sowohl auf der Seite der Pflegekräfte also auch auf der Seite der Hilfebedürftigen und deren Angehörigen. Zwei unterschiedliche Kulturen treffen hier in einem intensiveren Kontakt zusammen, das erfordert vermehrte Verständigung zum gegenseitigen Verstehen. Eine Brücke kann mit muttersprachlichen MitarbeiterInnen gebaut werden. Das macht die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Pflegebedürftigen leichter. Diese MitarbeiterInnen kennen auch die kultur- und religionsspezifischen Bedürfnisse und können für ein kulturelles Grundverständnis unter den weiteren Pflegekräften sorgen. Schulungen in kultursensibler Pflege können außerdem die interkulturelle Kompetenz der Pflegekräfte ausbilden.
Einige Pflegeeinrichtungen spezialisieren sich auf bestimmte Konfessionen. Zum Beispiel gibt es katholische und evangelische Träger, aber auch muslimische und jüdische. Auch gibt es Pflegeeinrichtungen, die ein interkulturelles Pflegekonzept einführen, zum Beispiel: Eine muslimische Wohngruppe wird mit einem Gebetsraum inklusive Badezimmer für die Gebetswaschung ausgestattet. Es wird Halal-Ernährung ermöglicht.
Innerhalb einer Einrichtung können Verfahrensstandards für unterschiedliche Kulturen definiert werden. Für jede bekannte Kultur kann ein Datenblatt mit den kulturellen Besonderheiten angelegt werden, zum Beispiel mit Lebensmitteln, die nicht serviert werden dürfen, Ritualen und weiteren kulturspezifische Aspekten. Auch können über diese Verfahrensstandards dem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen die Regeln der Einrichtung kommuniziert werden, um das interkulturelle Verständnis zu fördern. Gemeinsame Feiertage können nach den verschiedenen Kulturkreisen ausgerichtet werden.
Vieles ist möglich und sollte möglich gemacht werden. Die Entwicklung einer kultursensiblen Pflege ist vor dem Hintergrund unserer demografischen Entwicklung auf jeden Fall eine sinnvolle Investition in die Zukunft.
Haben Sie Erfahrungen mit einer kultursensiblen Pflege gemacht? Teilen Sie diese gern in den Kommentaren!
Quellen:
BMFSFJ – Handbuch für eine kultursensible Altenpflegeausbildung